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Vom “Ich muss” hin zu “Ich will!”

Dieser Artikel liegt mir sehr am Herzen, da ich gerade wieder stark vernehme, wie das Wort “muss” verstärkt in unsere Gesellschaft und vor allem auch in die Politik einzieht. Das macht mir gerade Sorge. Denn diese Abgabe der Verantwortung kann leicht dazu führen dass wir relativ leicht unsere Handlungen rechtfertigen. Egal welcher Art diese Handlungen sind. Dazu möchte ich einen Fall aufgreifen, den auch Marshall B. Rosenberg in seinen Buch zitiert.

Warum gebe ich mit dem Wort “muss” die Verantwortung ab?

Am 11. April 1961 begann das Gerichtsverfahren gegen den ehemaligen SS-Obersturmbannführer Adolf Eichmann. Er gilt als einer der Strategen der Judenvernichtung. “Als Eichmann in diesem Verfahren mit dieser Tat konfrontiert wurde, bestritt er nicht die – ohnehin unbestreitbaren – Mordaktionen, sondern berief sich auf das Prinzip von Befehl und Gehorsam, das ihn von Schuld im juristischen Sinne freispreche. Ohnehin sei er nur ein „Rädchen im System“ gewesen. Er stellte sich in allen seinen Vernehmungen vor Gericht als kleiner Bürokrat dar, der nur Befehle ausgeführt habe.”

So ein Teil des Artikels aus der “Welt”. Er “musste” es machen. Befehl von oben.

Dies soll allerdings keine weitere Anklage werden, denn ich weiß nicht, wie ich in diesen Zeiten reagiert und gehandelt hätte. Ich will mit diesem Wort “muss” aufräumen. Wir müssen gar nichts. Wir entscheiden uns immer aus bestimmten Gründen zu einer Handlung.

Was treibt uns an, wenn nicht das “muss”?

Ich glaube, dass wir alles aus einem ganz bestimmten Grund tun. Es dient dem Versuch, sich ein Bedürfnis zu erfüllen. Das ist auch eine der Annahmen in der gewaltfreien Kommunikation.

“Alles was ein Mensch tut, ist ein Versuch sich Bedürfnisse zu erfüllen” Marshall B. Rosenberg

Das macht uns menschlich treibt uns an. Es ist aber leider so, dass uns manchmal nicht gerade lebensdienliche Strategien einfallen, um unsere Bedürfnisse zu erfüllen. Im Fall von Eichmann waren es meines Erachtens nach schreckliche Gräueltaten, die seine Bedürfnisse erfüllten. Die oft nicht leicht erkannt werden können – aufgrund der gewählten Strategie und wegen unseres moralischen Kompasses, den ich für gut und wichtig empfinde.

Möglicherweise hatte Eichmann aus dem Bedürfnis der Zugehörigkeit heraus gehandelt, aber auch aus Sicherheit. Damit meine ich aus Angst: Wenn ich das nicht mache, dann wird es ein anderer machen. Dann gehöre ich nicht zur Elite und werde sogar selbst hingerichtet.

Vielleicht auch aus Spaß, ich weiß es nicht. Aber um mit dieser Tat leben und sie rechtfertigen zu können, ohne selbst dafür die Verantwortung zu übernehmen sagte er. er “musste” es tun. Befehl von oben.

Dein “Muss” wird jetzt nicht solche Taten rechtfertigen. Aber es ist das gleiche Prinzip und die gleiche Handlung. Sobald du sagst “Ich muss”, legst du die Verantwortung für dein Leben in die Hände anderer.

Was sind deine Muss-Sätze?

Ich muss kochen, sonst gibt es nichts zu essen! Leider muss ich jetzt gehen, sonst wird mein*e Liebste*r sauer!

Was aber passiert, wenn ich aus dem “Muss” heraus handle?

Denke an eine Tat zurück, die du aus der Haltung “Ich muss” gemacht hast. Mit welcher Energie bist du an diese Arbeit gegangen und was war deine Erwartung?

Ich vermute, deine Energie war eher am Nullpunkt und deine Freude am Tun hielt sich in Grenzen.

Was ist dann passiert, als deine Erwartung nicht erfüllt wurde? Du hast jetzt gekocht oder bist extra früher heim. Es gab kein Dankeschön. Im Gegenteil, es gab möglicherweise Aussagen wie: “Das schmeckt aber heute komisch” oder nur eine einfache Frage: ” Wo warst du bis jetzt?”

Da du aus der Muss-Haltung kommst, besteht die große Wahrscheinlichkeit, dass dich diese Aussagen triggern und das Ganze eskaliert. Sei es in einem Konflikt oder in Schuld Scham. Das passiert, wenn du deine Verantwortung in die Hände anderer gibst.

Vom “muss” zu “ich will” – aber wie?

Ich könnte das Wort “muss” in jedem Satz ganz leicht zu “Ich will” abändern. Das alleine gibt dem Ganzen schon eine andere Energie. Das fällt für mich aber unter schön reden: Will ich wirklich alles machen, was ich tue oder handle ich aus anderen Beweggründen?

Bleiben wir bei dem Beispiel, wo ich zu meinen Freunden sage: “Leider muss ich jetzt gehen, sonst wird mein*e Liebste*r sauer!

Wenn es keine Ausrede ist, würde ich in diesem Fall sagen, dass das Bedürfnis nach Leichtigkeit erfüllt wird. Ich gehe nach Hause, um nicht in eine Situation zu geraten mit der ich nicht umgehen kann. Einfach um einem Streit auszuweichen. Hier handle ich nicht aus dem Herzen, sondern aus der Angst heraus. Das kann ich mir aber bewusst machen, indem ich zu meinen Freunden sage: “Ich gehe jetzt nach Hause, weil ich mir Sorgen mache, dass meine Frau/mein Mann sonst traurig und verärgert ist, wenn ich zu spät heimkomme.” Mit dieser Aussage fange ich schon an, Verantwortung für mich zu übernehmen.

Das Warum

Wenn ich aber auch noch ein mögliches Bedürfnis erkenne, warum meine Frau oder mein Mann traurig und verärgert sein könnte, dann wird es ein Akt aus dem Herzen heraus.

“Ich möchte jetzt nach Hause gehen, weil ich mir Sorgen mache, dass meine Frau/mein Mann sonst traurig und verärgert ist, wenn ich zu spät heimkomme, weil sie gerne auch zeit mit mir verbringen will. Und schon bin ich mit dem Herzen in meiner Verantwortung.

Es kann aber auch sein, dass ich selbst nach Hause will, um Zeit mit ihm oder ihr zu verbringen. Dann wäre der obige Satz eine Ausrede, weil sich zwei Bedürfnisse im Weg stehen: das Bedürfnis nach Nähe und das mögliche Bedürfnis nach Akzeptanz durch meine Freunde. Hier übernehme ich mit folgender Aussage Verantwortung:

“Ich gehe jetzt nach Hause weil ich gerade Zeit mit meiner Frau, meinem Mann verbringen will.”

Folge der Freude

Es kann aber auch sein, dass du gerne bei deinen Freunden bleiben willst, weil du gerade viel Spaß hast. Hier rate ich dir: Folge der Freude! Das meine ich nicht egoistisch. Aber du hast die Wahl:

Rufst du deine*n Partner*in an und sagst ihr, dass du länger bleibst und erklärst ihm oder ihr warum. Oder gehst du trotzdem nach Hause, weil es dir auch unendlich Freude bereitet, etwas für jemand anderen zu tun, ohne dabei deine Lieblingsstrategie zu verfolgen.

Ich weiß, es bedarf ein wenig Übung. Es wurde uns über Jahre hinweg gelehrt. Aber schnapp dir ein paar Musssätze, versuche deine Bedürfnisse zu erkunden und sie umzuwandeln. Dabei stößt du vielleicht auf Dinge, die du wirklich nicht gerne tust, die sortiere aus. Folge in allem, was du tust, der Freude und lausche hinter das Wort “Muss” – egal ob bei deinen eigenen Aussagen oder bei denen deines Arbeitgebers, Kunden oder diverser Politiker: Was ist das Bedürfnis? “Merke: Macht, Gier und Geld sind keine Bedürfnisse!”

Alles Liebe, dein

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