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Wie Gewalt gegen Frauen gar nicht erst entsteht

Dieser Artikel entstand durch einen erschütternden Anlass. Gewalt gegen Frauen existiert. Unabhängig von sozialen Schichten, Nationen und Familienverhältnissen. In nur vier Monaten gab es in Österreich neun Frauenmorde. Zuerst wollte ich es nicht wahrhaben. Das gibt es doch nicht, nicht in Österreich! Das war mein erster Gedanke. Leider sieht die Realität anders aus.

Tatsächlich ist so, dass, lt. einer Umfrage der Agentur Europäische Union für Grundrechte, jede fünfte Frau ab dem 15. Lebensjahr körperliche und oder sexuelle Gewalt erlebt hat. Aus diesem Anlass ist von der Regierung eine Sitzung einberufen worden. In dieser haben die Beteiligten Maßnahmen ausgearbeitet, wie diese Situation eingedämmt, gestoppt werden kann. Leider wurden aber nicht die Frauen- und Gewaltberatungsstellen mit an den Tisch geholt. Was mich persönlich betrübt. Ich finde es wichtig, Menschen mit einzubeziehen, die direkt damit zu tun haben. Die die Situation kennen und einschätzen können.

Eine mögliche Antwort auf die Frage: “Wie kann die Gewalt gegen Frauen, aber auch generell die Gewaltbereitschaft gesenkt werden?” und was das heutige Männerbild damit zu tun hat, liest du in diesem Artikel.

Gewalt gegen Frauen und die österreichische Regierung

Diese Diskussionsrunde der Regierung widmete sich vorrangig dem Thema Opferschutz. Welche Maßnahmen werden gesetzt, um die Frau “reaktiv” vor Gewalt zu schützen?

Sicher, Opferschutz ist ein essenzieller Teil der Situation. Aber langfristig sehe ich einen anderen Weg, wo der Opferschutz ergänzend als letzte Maßnahme dient. Denn was ich in der Diskussion vermisst habe, ist die Frage: “Was kann proaktiv getan werden? Welche Aktionen sind bereits im Vorfeld notwendig, dass es gar nicht soweit kommt, dass einen Frau Schutz benötigt?”

Als Fachkraft für Arbeitssicherheit begegne ich diesem Thema so wie den Risiken in der Arbeitswelt regelmäßig. Hier wird nach dem STOP – Prinzip vorgegangen.

Gewalt gegen Frauen mit dem STOP-Prinzip verhindern

Was bedeutet das STOP – Prinzip?

Es ist eine Rangfolge, die Risken verhindern, beziehungsweise minimieren soll.

Gewalt gegen Frauen.

Quelle: Pixabay

S = Substitution = Ersetzen von Gefahrenquellen

Das bedeutet, die Gefahrenquelle ganz zu beseitigen. Oder soweit zu entschärfen, dass keine Gefährdungen mehr vorliegen. Das ist für mich der wichtigste Schritt bei diesem Thema.

T = Technische Lösung

Das würde bedeuten, die Gefahrquelle technisch zu eliminieren. Umgelegt auf Gewalt gegen Frauen: die potentiell gewalttätigen Männer einsperren.

O = Organisatorisch

Dies bezeichnet die möglichen Maßnahmen: z. B. Frauenhäuser. Kollektiver Schutz für Frauen gegen die Gewalt der Männer.

P = Persönlich

Wie kann Frau sich persönlich schützen: Personenschutz, Pfefferspray, Annäherungsverbot.

An den Themen von T.O.P. arbeitet die Regierung bereits. Doch was ist mit dem ersten, den für mich wichtigsten Punkt? Welche Schritte sind nötig, damit Gewalt gegen Frauen erst gar nicht entsteht?

Was kann präventiv gegen Gewalt gegen Frauen getan werden?

Hier sehe ich das so, wie Erich Lehner vom Dachverband Männerarbeit in Österreich. Er sagt in einem Interview mit dem Standard:

“Bei Opferschutzarbeit und Täterarbeit gehe es nicht um “entweder – oder”, sondern um “sowohl – als auch”: Täterarbeit leiste einen Beitrag zum Opferschutz, indem Gewaltverhalten abgebaut werde, in Anti-Gewalt-Trainings und gegebenenfalls zusätzlich mit Psychotherapie, Suchtbehandlung, psychiatrischer Behandlung oder einem anderen Hilfeangebot. Seine Aufgaben sieht der DMÖ in Arbeit mit gewalttätigen Männern (“Täterarbeit”), deeskalierender Beratung. Etwa in Trennungssituationen, Gewaltprävention mit Buben und Burschen sowie einer Kampagne für Männlichkeitsbilder, die nicht mehr an Härte, Dominanz und patriarchalen Vorstellungen orientiert sind, sondern an Partnerschaftlichkeit, Beziehungsorientierung und Sorgearbeit (“Caring Masculinities”). (Quelle Der Standard vom 03.05.2021)

Kann Gewaltfreie Kommunikation dabei helfen?

Ja, Gewaltfreie Kommunikation kann dabei helfen. Alles, was präventive Arbeit gegen Gewalt gegen Frauen ist, kann helfen. Alles, was mit Persönlichkeitsentwicklung zu tun hat, unterstützt. Es ist wichtig, tief verwurzelnde Strukturen, Hierarchien und patriarchalische Vorstellungen aufzubrechen.

Das beginnt bereits in der Kindheit. Im Elternhaus so wie in der Schule ist es wichtig, einen lebensdienlichen Umgang vorzuleben. Soziale Projekte zu forcieren und Persönlichkeitsentwicklung zu fördern. Den Spruch “Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmer mehr!” in die Mülltonne zu werfen und auch bei der Erwachsenenbildung mehr im Bereich der Persönlichkeitsentwicklung anzusetzen.

Auch wenn es unverständlich klingt: Wichtig ist, den Täter trotz seiner Tat als Mensch zu sehen. Warum ist das so?

Einer meiner Grundsätze ist eine Annahme von Marshal B. Rosenberg in der gewaltfreien Kommunikation. Dieses Zitat kommt häufig in meinen Artikeln vor und ich werde es noch öfters erwähnen, weil es für mich so stimmig ist. Es unterstützt mich auch dabei, die Situation von außen zu betrachten und nicht in die Vorverurteilung zu gehen.

Alles was ein Mensch tut, dient dem Versuch, sich Bedürfnisse zu erfüllen. Marshall B. Rosenberg

Achtung: Es anzuerkennen bedeutet nicht, es zu akzeptieren!

Jemand, der Gewalt gegen Frauen verübt, hat leider zum Erfüllen seines Bedürfnisses eine fatale Strategie gewählt. Möglicherweise hat er nie andere Strategien als Gewalt kennengelernt. Hier kann die Persönlichkeitsentwicklung ansetzen. Tätern beizubringen, sich anders als mit Gewalt Gehör zu verschaffen – und das bereits bei den ersten Anzeichen.

Männerbild

Noch einmal: Das soll keine Verteidigung von Gewalt gegen Frauen sein, sondern aufzeigen, wie wichtig Täterarbeit ist. Diese Annahme ist eine Stütze, um den Mensch weiter als Mensch zu sehen und nicht zu bewerten. Wenn Männern und Buben frühzeitig lernen, dass es auch andere Strategien gibt, dann ist das Prävention. Wenn Männer und Jungs lernen, mit ihren Gefühlen umzugehen, sie auszudrücken, dann fördert das die Beziehungswelt. Das dient nicht nur den Gewaltopfern, sondern auch der gesamten Gleichberechtigung.

Gewalt gegen Frauen

Bevor wir jedoch zum neuem Männerbild gehen, möchte ich mit euch in das vorhandene Männerbild eintauchen. Ein Männerbild geprägt von Gewalt, Gefühlsunterdrückung, Unterdrückung und Hierarchien.

Ich möchte mit euch erforschen, was einen Mann dazu bewegen kann, so zu handeln? Welches Bedürfnis will er sich damit erfüllen?

Damit meine ich nicht unbedingt das Bedürfnis nach Macht oder den Ansatz: Wenn ich dich nicht haben, dann darf dich niemand haben. Auch wenn diese Gedanken eine große Rolle spielen: Viel wichtiger ist aber, was dahinter steckt. Welche Gefühle und nicht nicht erfüllten Bedürfnisse? Was verbirgt sich hinter der Machtbesessenheit, dem Besitzdenken?

Mögliche Gefühle und Bedürfnisse

Möglicherweise steckt hinter der Machtbesessenheit das Bedürfnis Anerkennung, Er hat wahrscheinlich nie gelernt in Ausnahmesituationen, wo seine Gefühlswelt Achterbahn fährt, in ein Gespräch zu gehen. Sich anders als mit Gewalt Anerkennung zu verschaffen. Nie gelernt, sich selbst anzuerkennen und somit den ersten Schritt zur Änderung zu tun.

Er hat soviel Angst und Unsicherheit, seine Anerkennung und dadurch seine Identität zu verlieren, dass er sich diese Bedürfnis mit aller Gewalt erfüllt.

Hinter dem Besitzdenken steht womöglich die Angst, als Mann versagt zu haben. Gedanken wie “Ich bin nicht gut genug, nicht männlich genug.” verwandeln möglicherweise die Trauer über die Trennung in blanken Hass. Das unerfüllte Bedürfnis, das ich hier vermute, ist Zugehörigkeit. Die elementare Angst, nicht mehr dazugehören, nicht mehr als Mann zu zählen, weil er nicht einmal die eigene Frau halten kann.

Angst ist nie ein guter Ratgeber!

Neues Männerbild, um die Gewalt gegen Frauen aufzulösen.

Ich habe in meinen Trainings folgende Beobachtungen gemacht: Frauen wurden größtenteils dazu erzogen, sich aufzuopfern und auf ihre eigenen Bedürfnisse zu verzichten. Siehe einen Artikel aus den 50ern

Männer hingegen wurden darauf getrimmt, hart zu sein. Ihre Gefühle zu unterdrücken. Alles mit sich alleine auszumachen. Im Krieg in der Arbeitswelt braucht man schließlich keine Gefühle und auch kein Gewissen. Der richtige Mann darf keine Angst haben. Es ist seine Aufgabe, Frau und Familie zu beschützen.

Beide Geschlechter wurden so voneinander abhängig gemacht: Kein guter Ansatz, um dem Leben dienlich zu sein.

Um die Gewalt gegen Frauen zu verringern, müssen Männer lernen, über ihre Gefühle zu sprechen.

Gefühle sind wie ein Kompass. Er zeigt dir, ob deine Bedürfnisse erfüllt oder unerfüllt sind. Nicht mehr und nicht weniger. Sie helfen dir, deinen Weg zu dir zu finden.

Lerne auszudrücken, was in dir vorgeht. Dass es gut tut, authentisch zu sein und auch mal zu sagen: “ich bin gerade mit der Situation überfordert, lass uns bitte ein andermal darüber reden.” Das es OK ist, Angst zuhaben und es auch zuzugeben. Es einfach sein darf, mal nicht die Lösung parat zu haben. Nicht weiter zu wissen und um Hilfe bitten zu dürfen.

Das ist etwas, was auch ich lernen durfte. Damit meine ich jetzt nicht, nach dem Weg zu fragen, dass war für mich nie ein Thema. Aber über Dinge zu reden, die mir in der Seele weh taten. Mich zu öffnen und zu zeigen, aufrichtig um Hilfe zu bitten – das konnte ich nicht.

Das war für mich ein großer Entwicklungsprozess. Aus den Gedanken “Ich muss alles alleine schaffen” und “Für mich ist eh niemand da” auszusteigen und zu vertrauen.

Seit mir das gelungen ist, ist mein Leben um ein Vielfaches leichter.

Raus aus den Vorurteilen!

Mein Wunsch ist, dass sich Männer wie Frauen mehr an der Beziehung beteiligen. Hören wir auf, uns als Objekte zu sehen. Hören wir auf, uns in Schubladen zu pressen, sondern betrachten wir uns als wunderbare Wesen mit Bedürfnissen, Fehlern, Stärken und Schwächen.

Für mich ist es für beide Geschlechter wichtig, das Selbstbewusstsein zu stärken und zu fördern. Denn wer sich seiner Selbst bewusst ist, neigt nicht mehr zu Gewalt. Eine selbstbewusste Frau gerät gar nicht erst in solche Beziehungen, bzw. erkennt und beendet sie frühzeitig. Ein selbstbewusster Mann hat es nicht nötig, Gewalt gegen Frauen zu verüben, weil er einfach vertraut und weiß, dass er die Frau zur Erfüllung seiner Bedürfnisse eigentlich nicht braucht.

Du möchtest dich als Mann weiter entwickeln? Dann lade ich dich ein, die Seite “Gewaltfrei Austria” zu besuchen.

Dabei ist die Gewaltfreie Kommunikation ist nur eine von vielen Strategien, um die Welt friedlicher zu gestallten. Andere Strategien findest du auch bei der Männerberatung bei Gewalt in der Familie, (0720 / 70 44 00) . Hier bekommst du wertvolle Unterstützung in deinem Bundesland.

Danke, dass du bis hierher gelesen hast.

Alles Liebe, dein

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